Flucht über die Berge – In memoriam Marko Feingold Fr, 25.06.2021
6. interaktiver Theatertageswanderung auf den Spuren des jüdischen Exodus von 1947 im Krimmler Achental

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten oder wollten die meisten Juden, die den Holocaust überlebt hatten, nicht mehr in Europa leben, wo ihre kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen durch den Nationalsozialismus und seine Mitläufer zerstört worden waren. Hinzu kamen in den Jahren 1945 bis 1948 etwa 250.000 Juden aus Osteuropa, die vor dem fortdauernden Antisemitismus in ihren Ländern flüchteten. Sie wurden in die westlichen Besatzungszonen geschleust und lebten als "displaced persons" in Lagern – wie etwa dem Lager Givat Avoda (hebräisch für "Hügel der Arbeit") in Saalfelden und hatten nur ein Ziel: Palästina – "Eretz Israel".

Das teatro caprile folgt auf einer Tageswanderung im Krimmler Achental der illegalen Auswanderung jüdischer displaced persons im Sommer 1947. Während die Briten als Mandatsmacht über Palästina und die Franzosen über Syrien und Libanon eine legale Ausreise der Juden aus den österreichischen Lagern und vor allem ihre Einwanderung nach Palästina verhindern wollten, tolerierten die amerikanischen Besatzungstruppen in Oberösterreich und Salzburg diese Bewegungen. Zudem wies das österreichische Innenministerium die Krimmler Gendarmerie explizit an, "nicht aus dem Fenster zu schauen" und dadurch den beschwerlichen Exodus – schließlich ging es in Gruppen von bis zu 200 Personen zu Fuß über den 2.634 m hohen Krimmler Tauern – geschehen zu lassen, damit sich das Problem quasi von selbst löse.

Unterbrochen von erholsamen Fahrten mit dem Nationalparktaxi zeichnet die Theaterwanderung in Szenen im freien Gelände auf dem Weg von Krimml (1.067 m Seehöhe) bis zur Windbachalm (1.880 m Seehöhe) die Strapazen der Wanderung für diese Menschen und ihr oft traumatisches Erinnern nach. Sie macht begreiflich, dass für KZ-Überlebende und osteuropäische Juden, die in ihrer (ehemaligen) Heimat auch nach dem Holocaust antisemitische Ressentiments bis hin zu Pogromen erleben mussten, nur eine Hoffnung hatten. Sie wollten im Sinne Theodor Herzls im "Land der Väter" einen jüdischen Staat gründen, der den Juden eine Zukunft als normale Nation ermöglichen sollte.

Organisiert waren diese Flüchtlingstrecks durch die hochalpine Landschaft damals von der jüdischen Fluchthilfeorganisation Bricha, die über ein engmaschiges Netz von Stützpunkten entlang der Fluchtrouten bis nach Süditalien verfügte. Marko Feingold (1913 - 2019), KZ-Überlebender und bis zu seinem Tod Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburgs, hatte gemeinsam mit dem legendären Bergführer Viktor Knopf, ebenfalls Überlebender mehrerer Konzentrationslager, den Weg über den Krimmler Tauern entdeckt, nachdem der Reschenpass und der Brenner (beide in der französischen Zone) für Flüchtlinge nicht mehr passierbar waren.

Wird der Krimmler Tauern eine Renaissance erleben, wenn der Brenner abermals mit Zäunen Flüchtlingen und Asylsuchenden den Übertritt verwehrt?

©: Foto Hannes Heidecker
PR (Kerstin)