Die Kunsthalle München macht sich und ihren zahlreichen Besucherinnen und Besuchern ein großes Geschenk
zu ihrem 40-jährigen Bestehen, nämlich diese großartige Ausstellung "Civilization. Wie wir heute leben".
Dieses Panoptikum unserer Gegenwart stellt Fotografien von über hundert Künstlern zusammen, eine geradezu
grandiose und überwältigende Sammlung von Motiven aus aller Welt. Ein Schwerpunkt liegt dabei - der Gegenwart
entsprechend - auf Naturwissenschaften und Technik, aber auch auf Alltagsproblemen wie Abfall und Verkehr,
inzwischen die weltweite Flüchtlingsproblematik, die durch Fotos von der Grenze Mexiko-USA illustriert wird.
(Warum eigentlich nicht z.B. von der Mauer zwischen Israel und Westjordanland oder der innerkoreanischen Grenze.)
Unsere Zeit kann hier erlebt werden als eine Massengesellschaft globalen Ausmaßes - aber ohne "Aufstand der
Massen" (Ortega y Gasset). Das gibt der wundervollen Ausstellung eine Art konsequenten, ja einen zwingenden
Charakter: Abschluss und Höhepunkt ist die Abteilung "Next" mit ihrem faszinierenden Blick in die Zukunft.
"Civilization" (vielleicht im Anklang mit dem bekannten Spieleentwickler Sid Meier) lädt aber vor allem zum
Nachdenken ein - und damit möchten die hier niedergelegten Gedanken die eindrucksvolle Ausstellung würdigen.
Eine Ausstellung mit diesem weiten Anspruch und Blickwinkel erfordert wohl zunächst die Frage, wer "wir" sind:
Gemäß der globalen Wahl der Fotothemen dürfte hier die Bewohnerschaft der Erde als Kollektiv gemeint sein -
und das führt zu einer Fülle weiterer Anfragen. Selbstverständlich bedeutet die Auswahl der Fotos bei einer
Ausstellung dieser umfassenden Thematik, Entscheidungen zu treffen und diese können natürlich persönliche
Aspekte einschließen. Und das bedeutet beim Blick darauf, "wie wir leben": Der einzelne Betrachter vermisst
Hinweise darauf, wie er/sie bzw. bedeutende Teile der Gesellschaft eben in Wirklichkeit leben.
Ich notiere hier
Fotos der Landwirtschaft (in deren Bereich viele arbeiten), der Alltagsfamilie mit Kindergarten, Schule... (der
Regelfall global betrachtet) u.ä. Eher befremdlich ist das Foto der "evangelikalen Messe" (so etwas gibt es gar
nicht!), noch dazu im Themenbereich "Verführung". Da fällt auch das Fehlen einer berühmten Kathedrale o.ä.
richtig auf - angesichts der schönen Fotos zweier großartiger Moscheen.
Ein Besuch in München ist sehr zu empfehlen - trotz der Probleme mit der Bahn!!