Jean Genet: Der Balkon, theater privat Do, 11.05.2017
Jean Genet (1910-1986; https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Genet) hatte einen bekannt "problematischen" Lebenslauf. Auch später wurde er kein "bürgerlicher" Schriftsteller und Werke von ihm wurden in einigen Ländern, sogar in Frankreich, verboten. Die Uraufführung fand 1957 in London statt - unter "erschwerten Bedingungen" und ohne Teilnahme des Autors.

Das theater privat (www.theaterprivat.at) veranstaltete somit das 60jährige Jubiläum der Uraufführung. Und das führt zu einigen Fragen: Wird ein "Skandalstück" nach 60 Jahren noch als Skandal empfunden oder gehört es zu einer Art Mainstream oder wurde es gar "klassisch" - oder ist es vielleicht "verjährt"?

Da lohnt ein Blick auf den Inhalt: Madame Irma hat ihr Bordell auch in Krisenzeiten geöffnet und erweist sich als Lebenskünstlerin. Genet läßt als Stammkunden in Symbolfiguren die Zielscheiben der Französischen Revolution auftreten: Den Staat in Gestalt von Justiz und Militär und die Kirche in Gestalt eines Bischofs.

Das Theaterpublikum ist (nur) im Bordell dabei und erlebt hier den aus der Antike bekannten Typ der Hetärengespräche. Die heranrückende Revolution wird im wesentlichen durch Geräusch und Reaktion auf der Bühne lautstark gezeigt. Im Betrieb herrscht weiter "Normalität" - trotz zweier Toter -, das Leben geht weiter... Es ist (für mich) zu folgern: "Der Balkon" ist eher Mainstream, vielleicht mit einer Art "zeitloser Fragestellung".

Und wie ist "Der Balkon" von theater privat? Am 11.5. habe ich eine Theateraufführung mit Schwung und Spielfreude (nur angesichts des Inhalts vermeide ich den Begriff "Liebe") der Mitwirkenden erlebt. Dazu boten 2 Schauspielerinnen gelungene Proben ihres Gesangskönnens - und als "Krönung" war eine Gruppe von Life-Musikern engagiert. Die Inszenierung arbeitete mit 3 gut ausgestatteten Bühnen: Vor der Pause durfte ein Teil des Publikums, sozusagen zur Aktivierung, von einer Seite zur anderen wechseln; nach der Pause saß das sehr interessierte Publikum links- und rechtsseitig: Vorne und in der Mitte wurde gespielt: Eine ansprechende, moderne Idee. Theater privat war wieder im Bereich der Jesuitenniederlassung aktiv - und es kam der Gedanke angesichts von Ausstattung und Spielbegeisterung (nicht beim Inhalt!!) an das längst (nur) historische "Jesuitentheater". Dazu heißt es "Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus" - und man/frau genießt die Pause im Klostergarten.

Was wird bei theater privat wohl im nächsten Jahr auf dem Programm stehen??